Vorwort. Mein Werkchen bedarf gegenber den blichen Darstellungen slavisclier Mythologie gewissermaen einer Rechtfertigung. Ich selber betrachte meine Arbeit nur als einen Beitrag zur allge- meinen vergleichenden Religionswissenschaft, blo als einen ern- sten Versuch, einige besondere berreste des nichtchristlichen und nichtmohammedanischen Volksglaubens der Sttdslaven unter bestimmten, nach dem gegenwrtigen Stand unserer Wissenschaft feststehenden Grundansch&uungen zusammenzufassen und zu be- leuchten, lim sichere Anhalte fr weitere Forschungen zu schallen, welche den Zustand der Sdslaven in volksreligiser Beziehung endgiltig klar legen sollen. Es handelt sich mir zunchst um eine erschpfende Samm- lung aller wirklich ursprnglichen und eigentmlichen religisen Ideen des slavischen Bauernvolkes im Sden, damit dessen ge- samter Geistesvorrat in dieser Hinsicht berschaut werden kann. Eine solche mglichst vollstndige Kenntnis dieser psychischen Thatsachen ist um so notwendiger, bemerkt mit Recht Bastian, der Altmeister unserer Forschungsweise, als das Wesen der mensch- lichen Seele oder des Menschengeistes nur aus diesen ihren Wir- kungen erkannt zu werden vermag; ja, sie selbst ist eben in ihren Gedankenschpfungen verwirklicht. Diesen Anforderungen entsprechen die slavischen Mythologien in einem sehr bescheidenen Mae. Was E. Hardy den religions- philosophischen Werken der ersten Hlfte unseres Jahrhunderts nachsagt, es wren Systembildungen, anstatt wahrheitsgetreue Nachbildungen der Wirklichkeit '), gilt in einem noch grerem Umfange von den slavischen Mythologien, welche zum Teil aus gelehrten dichterischen Illusionen zusammengesetzt sind und der nationalen Eitelkeit, der slavischen Vlker liebedienerisch schmei- 1: Hardy E.: Die allgemeine vergleichende Religionswissenschaft im aka- demischen Studium unserer Zeit. Freiburg 1887. S. 14.